Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach und J. Neukirch, Redaktion: R. Schmidt-Rost

Letzter Sonntag nach Epiphanias, 9. Februar 2003
Predigt über Matthäus 17, 1-9, verfaßt von Friedrich Seven
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1 Nach sechs Tagen nahm Jesus mit sich Petrus und Jakobus und Johannes, dessen Bruder, und führte sie allein auf einen hohen Berg. 2 Und er ward verklärt vor ihnen, und sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider wurden weiß wie das Licht. 3 Und siehe, da erschienen ihnen Mose und Elia; die redeten mit ihm.

4 Petrus aber hob an und sprach zu Jesus: Herr, hier ist für uns gut sein! Willst du, so will ich hier drei Hütten bauen, dir eine, Mose eine und Elia eine.

5 Als er noch so redete, siehe, da überschattete sie eine lichte Wolke. Und siehe, eine Stimme aus der Wolke sprach: „Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe; den sollt ihr hören!“

6 Als das die Jünger hörten, fielen sie auf ihr Angesicht und erschraken sehr. 7 Jesus aber trat zu ihnen, rührte sie an und sprach: „ Steht auf und fürchtet euch nicht!“

8 Als sie aber ihre Augen aufhoben, sahen sie niemand als Jesus allein.

9 Und als sie vom Berge hinabgingen, gebot ihnen Jesus und sprach: „ Ihr sollt von dieser Erscheinung niemandem sagen, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden ist.“

Liebe Gemeinde!

Jedes Dorf im Harz hat seinen Berg, auf dem jeder, der hier länger wohnt, schon einmal gewesen ist und zu dem neben vielen Gästen auch immer Einheimische alltags wie sonntags unterwegs sind.

Auch ich bin gerne unterwegs dorthin und um über die Geschichte von Jesu Verklärung auf dem Berg nachzudenken, stand deswegen für mich der Weg schon fest, nur gegangen war er noch nicht.

Also ließ ich ließ die Zeitung mit den neuen Nachrichten über den drohenden Krieg und den alten über die wirtschaftliche Talfahrt liegen, um mich auf den Zwei-Stundenweg zum Großen Knollen, dem Hausberg für alle Südharzer, zu machen.

Wie gewöhnlich ging ich den kleinen Fluß aufwärts, der am Fuße des Knollens entspringt, aber dessen Qelle ich noch nie entdeckt habe und deren genaue Lage mir bisher auch die Einheimischen nie zeigen konnten, kam am Schwimmbad vorbei, von dem noch nicht sicher ist, ob es nach dem Winter wieder geöffnet werden kann, und hörte bald kaum noch die Schnellstraße, die hier vor Jahren gebaut worden ist und seitdem das Dorf vom Harz abschneidet.

Der lange Weg war nicht überall frei, Holz war noch vor kurzem geschlagen worden und bisweilen mußte ich über gefällte Bäume hinwegklettern.

An den Stellen, an denen die Holzhauer schon fertig geworden waren, säumten lange Strecken von Festmetern Holz den Weg, beeindruckende Wahrzeichen dafür, wie über Generationen Natur und menschliche Arbeit ihr Maß finden konnten.

Am Ende des großen Weges sieht der Wanderer dann schon Knollenturm und ich schaute auch diesmal wieder etwas sorgenvoll nach Rauch aus dem Schornstein der Hütte. Zumindest an Wintertagen hab ich stets diese Sorge, die Hütte könnte geschlossen sein, obwohl der Hüttenwirt für seine Zuverlässigkeit berühmt ist und sogar in den Weihnachtstagen für den Wanderer da ist.

Rauch stieg kräftig auf und der kurze steile Aufstieg auf engen verschneiten Pfaden unter schwer vom Schnee herabgedrückten Fichtenästen ging umso schneller.

Oben angekommen war ich dann wie immer ein wenig außer Atem und für die im Schnee leicht geblendeten Augen verklärte sich aus Erschöpfung und Zufriedenheit das Geschaute: Die anderen Wanderer hier oben erschienen eher, als daß sie mir begegneten und die Dörfer und Siedlungen unter mir offenbarten aus den Rodungen, auf den weißen Feldern und entlang der engen Täler neu ihre Namen. Auch das riesige Gebirgsmassive des Brocken verdient von hier oben gesehen seinen Namen neu.

Über mir zogen Düsenjäger ihre weißen Linien am Himmelszelt, die noch bevor das bedrohliche Geräusch auch meine Ohren erreichte, wieder mit den Wolken eins geworden waren.

Die Radartürme auf den umgebenden Bergen verlieren von hier aus gesehen ihre strategische Bedeutung und gehen ganz auf in die Namen ihrer Berge.

Es sind heute nur wenige Besucher hier oben und deshalb erinnere ich mich an frühere Gebirgswanderungen. Die Erinnerungen aber reichen weit zurück zu anderen Gebirgen und ihren Bergen, die früher mit den Eltern oder mit Lehrern erwandert wurden.

Damals war die Luft immer voll von Stimmen und Gesprächen und immer noch klingen die gutgemeinten Ratschläge und Prophezeiungen im Ohr, vor denen man sich gerade nach dem beschwerlichen Aufstieg kaum schützen konnte, und an die unsere Kinder heute wunderbarerweise schon wieder glauben wollen.

Doch das erste heiße Getränk versprach damals wie heute hier oben nicht mehr, als es halten kann: der Gipfel ist erreicht, die Herausforderung bestanden und das Leben wird leicht, so leicht, daß man hier bleiben möchte, und wie es damals einen der Erwachsene anflog, so flog das geflügelte Wort mich auch jetzt an: „Hier ist gut für uns sein- hier will ich eine Hütte bauen.“

Berge laden wohl deswegen so zum Bleiben ein, weil sie außerhalb der Zeit zu stehen scheinen und sich an ihnen jede Welle bricht. Es ist gerade ihre Stille und Unbeweglichkeit, die die Menschen einlädt, hier oben zu bleiben und zu bauen.

Kaum einer mochte damals wissen, von woher dieses Wort eigentlich geflogen kam, und heute suche ich es hier oben auf in der Geschichte von der Verklärung Jesu auf dem Berg. Ich lese im Evangelium und begreife nocheinmal neu, daß dieses Wort des Petrus nicht das letzte Wort auf dem Gipfel ist. Denn ein Schatten fällt auf den Berg den Verklärung, über den gerade eine Wolke zieht, aus der Gott endlich selbst spricht: „Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe; den sollt ihr hören.“ Die Jünger erschrecken und fallen auf ihr Angesicht. Sie können nicht eher aufstehen, als bis Jesus sie anrührt und spricht: „ Steht auf und fürchtet euch nicht!“

So lese ich und das Gelesene wird für mich zum Signal aufzubrechen: Eine neue Zeit ist geschenkt von dem, der auch den Bergen ihre Zeit stundet und der Weg hinab in die Mühen der Ebene wird mir gewiesen von dem, auf den ich hören soll. Seinen Jüngern hat er beim Abstieg noch befohlen, sie sollen niemandem etwas sagen, bis der Menschensohn auferstanden ist“, ich weiß bei meinem Abstieg, daß der Bann zu Ostern gebrochen worden ist und das Gespräch mit Gott und in der Gemeinde über den Frieden für diese Welt deswegen schon lange nötig und möglich ist.

Dr. Friedrich Seven
friedrichseven@compuserve.de


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