Festrede des Hauptvorsitzenden des Harzklubs e.V. zum 100jährigen Jubiläum des Knollenturms am 5. September 2004

Liebe Mitglieder und Freunde des Fördervereins Knollenturm,

liebe Harzklubfreunde,

werte Gäste,

wir haben uns heute hier versammelt, um einen im wahrsten Sinne des Wortes „steinalten“ Jubilar zu würdigen: fast auf den Tag genau vor 100 Jahren wurde hier auf dem Plateau des Großen Knollen ein neu erbauter Aussichtsturm der Öffentlichkeit übergeben, der sich schon bei seiner Einweihung großer Beliebtheit erfreute.

Das ist nicht verwunderlich, denn auf den herrlichen Ausblick weit über das Panorama der Harzberge hinaus hatten nicht nur die Harzer sondern auch viele Kurgäste und Sommerfrischler mehr als ein Jahr lang verzichten müssen.

So lange nämlich hatte der Bau des vor uns stehenden Knollenturmes gedauert. Das imposante und weithin sichtbare Bauwerk ist ein steingewordener Beweis für den Zusammenhalt und die Zusammenarbeit unserer Harzklub-Zweigvereine.

Bereits im Jahr 1890 hatte der Harzklub Zweigverein Lauterberg an gleicher Stelle einen hölzernen Turm errichtet. Sehr schnell hatte sich dieser zu einem der beliebtesten Aussichtstürme des Harzes und zu einem viel besuchten Wanderziel entwickelt.

Am 2. Juni 1903 jedoch – so vermeldet es die Chronik – schlug ein Blitz in den Turm ein und traf mehrere Wanderer, die im Treppenraum Schutz vor dem Gewitter gesucht hatten. Der Braunschweiger Kaufmann Ferdinand Martell wurde sofort getötet, weitere Wanderer erlitten schwere Brandverletzungen. Der Turm selbst war durch den Blitzschlag so stark beschädigt worden, dass er polizeilich gesperrt werden musste.

Einmal mehr waren es unsere Harzklubfreunde, von denen die Initiative für einen Neubau des Turmes ausging. Nicht nur der Zweigverein Lauterberg, sondern auch die benachbarten Vereine aus Andreasberg, Herzberg, Sieber und Barbis-Scharzfeld

beschlossen, an der Stelle des alten Holzturmes einen Steinturm zu errichten. Jeder dieser Zweigvereine beteiligte sich auch finanziell an den Baukosten: 50 Pfennig pro  Mitglied wurden über 2 Jahre in die „Baukasse“ gezahlt; Mittel aus der Brandkassenentschädigung und bereits für Ausbesserungen am alten Turm geplante Gelder wurden ebenso für den Aufbau zur Verfügung gestellt wie ein Zuschuss von der Hauptversammlung des Harzklubs. Aus vielen weiteren Harzklubzweigvereinen kamen Spenden oder sogar größere Beträge (wie z.B. aus Göttingen) für den Bau des neuen Turmes. So war es möglich, trotz der durch die örtlichen Verhältnisse erforderlichen hohen Baukosten einen Turm aus festem Gestein zu errichten. Für den Bau wurde in unmittelbarer Nachbarschaft gewonnener Porphyrfelsen genutzt.

Nachdem der alte Turm abgerissen und all die umfangreichen Vorarbeiten abgeschlossen waren, fand am 1. Mai 1904 auf dem Großen Knollen die feierliche Grundsteinlegung statt. In den folgenden Monaten entstand ein imposantes Bauwerk, das am 21. August 1904 im Beisein zahlreicher Gäste übergeben werden konnte.

Sanitätsrat Dr. Tischmann, der damalige Vorsitzende des Harzklub-Zweigvereins Lauterberg, würdigte in seiner Festrede vor allem die große Unterstützung, die das Bauvorhaben im gesamten Harzklub gefunden hatte. Nur dadurch konnten die Baukosten von rund  8.000 Mark aufgebracht werden. Mit etwa 19 Metern Höhe und 4 Metern im Durchmesser überragte der als Wahrzeichen des Südharzes weithin sichtbare Turm so manch anderen um die gleiche Zeit gebauten. 94 Stufen führten hinauf zur Aussichtsplattform und entschädigten alle, die den beschwerlichen Aufstieg auf sich nahmen, mit einem phantastischen Rundblick.

Über Jahrzehnte hinweg hat der neue Knollenturm seine Anziehungskraft für Harzwanderer nicht nur bewahrt, sondern sie – nicht zuletzt auch durch den späteren Anbau und die Bewirtschaftung der Knollenbaude - sogar noch ausgebaut. Viele unseren älteren Harzklubmitglieder erinnern sich noch heute an Familienausflüge in ihrer Kindheit, die sie auf den Knollenturm geführt haben. Und so mancher kann die eine oder andere Geschichte erzählen von den „Knollenwirten“, die hier auf dem Berg die Wanderer versorgten. Übrigens – die gegenwärtigen „Knollenwirte“ Michael und Ruzica Brust zählen zu den dienstältesten und sind immerhin schon seit 1978 auf dem Großen Knollen...

Bis zum Jahr 2002 hat der Harzklub-Zweigverein Bad Lauterberg unter großen Anstrengungen und mit viel persönlichem Einsatz seiner Mitglieder den Aussichtsturm betreut. Jeder, der sich heutzutage mit dem Erhalt von alten Bauwerken beschäftigt, kann ermessen, wie viel Enthusiasmus und Liebe, aber auch wie viel Zeit und Geld dafür aufgebracht werden müssen. Allen, die sich über diese vielen Jahre um Wartung und Erhalt dieses beliebten Wanderzieles verdient gemacht haben, gilt deshalb an dieser Stelle mein besonderer Dank.

Als der Turm an die Stadt Herzberg zur Betreuung übergeben wurde, gründete sich im Oktober der „Förderverein Knollenturm Herzberg e.V.“ Der zur Zeit bereits 94 Mitglieder zählende Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, auch weiterhin den Knollenturm als Kulturgut und Wanderziel zu erhalten und die Mittel für die erforderlichen Sanierungen aufzubringen. Wie bereits beim Bau des Turmes sollen dafür vor allem Mitgliedsbeiträge, Spenden und Zuwendungen genutzt werden. Für kleine und große Spenden steht in der Knollenbaude auch eine Spardose in Form des Knollenturmes, die von einem treuen Knollenwanderer angefertigt und dem Verein zur Verfügung gestellt wurde.

Als Hauptvorsitzender des Harzklubs bin ich über dieses Engagement besonders froh. Denn um die Vielzahl von Aussichtstürmen, Wanderzielen, Hütten und Rastplätzen, die es in unserem Harz gibt, zu betreuen und zu erhalten, sind unsere Zweigvereine auf weitere Partner angewiesen.

 

Liebe Harzfreunde,

unserem heutigen Jubilar ist sein Alter durchaus schon anzusehen. Dass er trotz seiner 100 Jahre noch in guter Verfassung ist und auf „gesunden Beinen“ steht, ist der liebevollen Aufmerksamkeit zu verdanken, mit dem ihn seine große Familie der Harzfreunde umgibt. Ich wünsche unserem Jubilar, dass es auch künftig so bleibt.

Und eigentlich kann ich kein besseres Schlusswort finden, als es bereits vor 100 Jahren bei der Grundsteinlegung auf einer Urkunde dokumentiert wurde, die im Fundament unseres Turmes ruht:

            "Möge der Knollenturm emporragen in die Lüfte und Jahrtausende überdauern, dem fröhlichen Wandere zur Rast, ein Aussichtspunkt von seltenster Schönheit, der den ganzen waldbekrönten Südharz umfasst  bis zum Vater Brocken hin, und zur Sonne hinüberreicht über weite, reichgesegnete Gefilde bis zu den Bergen der Weser und des Thüringer Landes. "